Mittwoch, 23. Oktober 2013

Warum wir schlafen müssen - nun wissenschaftlich enträtselt

Seit Jahren rätseln Wissenschafter über die Funktionen des Schlafs. US-Forscher konnten nun zeigen, dass eine Art Wasserspülung während Schlafphasen giftigen Abfall aus dem Gehirn spült.

Schlafen: Giraffen tun es täglich zwei Stunden lang, Katzen brauchen pro Tag rund 13 Stunden. Bei erwachsenen Menschen beträgt die durchschnittliche Schlafdauer zwischen sechs und acht Stunden. Wissenschaftler fragten sich: Was steckt dahinter, dass wir ein Drittel unserer Lebenszeit schlafend verbringen?

Offenkundig ist, dass für Menschen und alle höheren Tiere der Schlaf lebensnotwendig ist: Ratten, denen der Schlaf entzogen wird, sterben nach spätestens zwei Wochen. Beim Menschen wurde und wird Schlafentzug als effektive Foltermaßnahme eingesetzt, das zermürbt die Gefolterten schnell.

Unbestritten ist, dass der Schlaf der Regeneration dient: Schlafen Tiere und Menschen zu wenig, werden das Immunsystem und auch der Stoffwechsel negativ beeinflusst, zudem heilen Wunden schlechter. Ähnlich gut gesichert ist, dass der Schlaf bei der Verarbeitung und der Erinnerung von Erlebnissen eine wichtige Rolle spielt.

Reinigung des Gehirns - eine nächtliche "Gehirnwäsche"
Die US-Forscher um Dr. Maiken Nedergaard (Universität Rochester im Bundesstaat New York) publizierten ihre neuen Forschungsergebnisse im US-Wissenschaftsmagazin Science. Nedergaard hatte mit ihrem Team bereits im Vorjahr für einiges Aufsehen gesorgt, als sie in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine über ein unbekanntes "Entwässerungssystem" im Hirn berichte, das als "glymphatisches System" getauft wurde.
Dieses weit verzweigte Leitungsnetz aus speziellen Zellen pumpt Hirnwasser und Abfallstoffe unter Druck aus dem Gehirn und übt damit eine ähnliche Funktion aus wie die Lymphbahnen (lymphatisches System) im Körper, wie die Wissenschafter an lebenden Mäusen zeigen konnten.

Reinigungssystem im Schlaf 10mal mehr aktiv
Die Wissenschaftlerin Dr. Nedergaard und ihre Kollegen forschten an dem neu entdeckten Mikrokanalsystem im Hirn weiter und machten (wieder an Mäusen) eine ähnlich spektakuläre Entdeckung: Nämlich, dass das glymphatische System im Schlaf zehnmal so aktiv ist wie im Wachzustand. Das wiederum hängt damit zusammen, dass in den Schlafphasen die Gehirnzellen um bis zu 60 Prozent schrumpfen, was Platz für die Abwasserkanälchen schafft, die alle möglichen toxischen Stoffe und Zellen aus dem Gehirn entsorgen.

Laut Nedergaard scheint es so zu sein, als ob das Gehirn dabei stets zwischen zwei Zuständen wählen müsse. In einem BBC-TV-Interview liefert sie einen anschaulichen Vergleich: Entweder das Gehirn macht Party (Aktion) und unterhält die Gäste, oder es räumt auf und macht sauber. "Beides zugleich geht nicht."

Die Forscherin und ihr Team sind sich ziemlich sicher, dass die neuen Erkenntnisse eine wichtige Rolle für die Behandlung von neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer spielen könnten. Wie man heute schon weiß, hat sich bei diesen bislang unheilbaren Krankheiten "Müll" in Form von Prionen, also falsch gefalteten Proteinen, im Gehirn angesammelt.
Quelle: sciencemag; Sleep Drives Metabolite Clearance from the Adult Brain
LINK: http://www.sciencemag.org/content/342/6156/373